Bichl Hans sitzt zu Hause in seinem Wohnzimmer am Rande der Stadt.
„Ach, diese satten Almweiden, der kühle Wald, die klaren Bäche und die Ruhe … Wie gerne wäre ich da oben auf dem Berg!“
Er streicht sich über seinen langen und struppigen grauen Bart und schreitet ans Fenster. Seine wachen Augen schauen hinaus auf das Gebirge. Hoch oben in den Bergen zusammen mit den Tieren im Wald leben – das wäre das Richtige für mich, denkt er sich. Er liebt Tiere. Vielleicht mag er sie sogar ein wenig lieber als die Menschen.
Er könnte sich auch selbst ein Zuhause bauen. Hans hat genug Holz im Schuppen, er ist gelernter Zimmermann und kennt sich aus. Schnell holt er einen Zettel und einen Stift, setzt sich an den Tisch und fängt an zu zeichnen. Dabei sieht er immer wieder aus dem Fenster und ein unbeschreibliches Glücksgefühl überkommt ihn.
Am nächsten Morgen geht es los. Bichl Hans macht sich ans Werk. Er ist schon alt und muss nicht mehr zur Arbeit gehen. Endlich ist ihm jetzt auch nicht mehr langweilig. Er hat einen Traum und eine Aufgabe, und so hobelt und schneidet er und bereitet alles für sein kleines Häuschen hoch oben in den Bergen vor.
Bereits ein paar Tage später macht sich Hans auf den Weg. Es ist noch ganz früh am Morgen und die Sonne geht langsam auf, als er mit seiner ersten Fuhre Holz im Wald ankommt. Sein Blick fällt auf eine uralte Eiche. Es ist, als winke ihm der Baum zu.
„Komm, Hansei, komm, setz dich einen Moment zu mir“, hört er den Baum in Gedanken flüstern.
Hans lädt sein Holz ab, lehnt es an den Baum und nimmt einen Moment Platz. Oh ja, das wird fein!, denkt er. Hier will ich wohnen. Hans baut so gerne Dinge aus Holz. Das wird ein tolles Häuschen mit Fensterläden und Blumenkästen voller bunter Wildblumen, in denen sich die Bienen und Schmetterlinge tummeln. Ein Vogelhäuschen könnte er auch noch bauen und eine Futterkrippe für alle Tiere des Waldes.
Tag für Tag kommt Bichl Hans nun mit einer neuen Fuhre Holz auf dem Berg an. Als er genug Material zu der alten Eiche geschafft hat, packt er schließlich sein Werkzeug ein, geht in den Wald und fängt an zu bauen.
Das Kitz Tini, die Füchse Lois und Maxl, der Igel Gidi, das Eichhörnchen Anna und die Uhu-Dame Christa wohnen gemeinsam im Wald. Sie treffen sich jeden Tag unter dem großen Baum, an dem Hans nun sein Häuschen baut. Dort essen sie gemeinsam und erzählen sich, was sie den ganzen Tag erlebt haben. Die Tiere fühlen sich unter diesem Baum sehr geborgen, denn die alte Eiche passt auf alle auf. Wenn es im Wald stürmt, dann halten ihre Äste und Blätter ganz fest zusammen und schützen die Tiere wie unter einem Dach vor dem Wind und der Kälte. Manchmal pfeift die Eiche dabei ein fröhliches Lied, und die Tiere stimmen ein und alle musizieren gemeinsam. Uuuuuiiiiiii, wie schön sich das anhört!
„Habt ihr den alten Mann gesehen, der hier sein Haus baut?“, fragt die Uhu-Dame Christa die anderen Tiere. „Was sollen wir nur machen? Soll er wirklich bei uns wohnen oder wollen wir ihn ärgern, damit er wieder weggeht? Ich halte nicht viel von den Menschen. Er wird unsere Ruhe und unser Familienleben stören.“
„Jetzt sei bitte nicht gleich skeptisch, Christa!“, sagt Gidi, der kleine, dicke Igel. „Ich habe ihn auch schon gesehen und finde ihn sehr nett. Wir können ihm doch eine Chance geben.“
„Ich weiß nicht … vielleicht trampelt er hier alles kaputt und tut unserem Baum weh“, entgegnet das Kitz Tini. „Dann kann uns die alte Eiche nicht mehr beschützen.“
Und das Eichhörnchen Anna meint dazu: „Vielleicht schnarcht er und wir können nicht mehr schlafen – und ich brauche doch meinen Schönheitsschlaf!“
„Schuhu! Ja, die Menschen schnarchen alle“, bestätigt Christa. „Schuhu! Schuhu! Mit unserer Ruhe wird es vorbei sein. Aber trotzdem – geben wir ihm eine Chance. Vielleicht ist er ja doch nett.“
Und was Christa sagt, zählt. Schließlich ist die Uhu-Dame weise und kennt sich aus.
Nach ein paar Wochen hat Bichl Hans sein Holzhäuschen fertig gebaut und zieht ein. Er genießt sein neues Leben im Wald und freut sich, dass die Tiere alle ohne Scheu aus seiner Futterkrippe fressen. Er beobachtet sie gerne dabei. Aber auch Gidi, Anna, Christa, Tini sowie Lois und Maxl freuen sich, dass der alte Mann sich so lieb verhält. Selbst sein Schnarchen in der Nacht ist nicht so schlimm, wie alle anfangs befürchtet haben. Und wenn es doch einmal zu laut wird, hüpft das Eichhörnchen Anna einfach auf das Fensterbrett und klappt die Fensterläden zu.
An einem heißen Sommernachmittag verdunkelt sich der Himmel und der Baum pfeift sein Lied lauter als sonst, so als wolle er alle warnen. Ein Sturm kommt auf, es fängt an zu regnen und will und will nicht mehr aufhören. Der Bach, der durch den Wald fließt und sonst nur leise vor sich hin plätschert, wird immer größer und breiter. Die Tiere bekommen es mit der Angst zu tun und laufen schnell zur großen Eiche, um unter ihrem Blätterdach Schutz zu suchen.
„Hoffentlich fängt es nicht auch noch an zu donnern und zu blitzen, dann könnten wir nicht unter dem Baum bleiben“, meint Gidi. „Das darf man nicht bei einem Gewitter.“
„Mir macht etwas ganz anderes große Sorgen“, sagt das Kitz Tini. „Hat jemand Anna gesehen?“
Die Tiere schauen sich erschrocken an – keines von ihnen hat das Eichhörnchen gesehen!
„Bestimmt spielt sie am Bach. Wir müssen sie suchen“, sagt Tini. Das Kitz hat Anna so lieb und läuft schnell zum Bach. „Anna! Anna, wo bist du?“, ruft es.
„Ich bin hier … hier auf dem Baum! Aber der Ast ist durch den Regen so rutschig geworden, dass ich nicht mehr zum Stamm hochklettern kann. Schau mal, es ist so …“ Und platsch – das Eichhörnchen gleitet am Ast entlang in den Bach.
Beherzt springt das Kitz in das sprudelnde Wasser hinein, damit Anna sich an ihm festhalten kann. Das Eichhörnchen schafft es tatsächlich, sich an Tinis Hals festzuklammern, und weint aus Angst und Sorge bittere Tränen. Tini versucht, stark zu sein, aber der Sturm hat so viel Regen gebracht, dass der kleine Bach inzwischen zu einem reißenden Strom geworden ist. Das Kitz drückt seine dünnen Beine so fest wie möglich in den Flussboden und stemmt sich mit aller Kraft gegen die Strömung.
Die anderen Tiere stehen währenddessen unter dem Baum und wissen nicht, wie sie reagieren sollen. Da sagt der schlaue Fuchs Lois: „Ich hole jetzt den alten Mann, vielleicht kann der uns helfen.“
„Er wird dich nicht verstehen“, entgegnet Christa, die weise Uhu-Dame. „Die Menschen sprechen doch unsere Sprache nicht.“
Aber Lois läuft schnell hinauf zu Bichl Hans und klopft an die Tür. Bichl Hans öffnet sofort und fragt, als er die große Angst in den Augen des Fuchses sieht: „Was ist denn los, Fuchs?“
„Lieber alter Mann, kannst du meine Sprache verstehen?“
„Ja, das kann ich. Ich kann mit Tieren sprechen.“
„Komm bitte schnell mit zum Bach, lieber alter Mann! Meine Freunde Anna und Tini sind in großer Gefahr!“
Hastig laufen die beiden zum Bach. Hans erkennt die dramatische Situation sofort und weiß, dass er jetzt rasch handeln muss, um die beiden Tiere noch retten zu können. Nicht nur, dass das Kitz bald keine Kraft mehr haben wird, auch das Eichhörnchen ist ganz panisch und weint und weint.
Bichl Hans schaut sich um und sieht einen Baumstamm. Schnell schnappt er ihn und schmeißt ihn so geschickt ins Wasser, dass sich der Baumstamm zwischen den Steinen verkeilt und Hans auf diese Weise Halt im Bach bekommt, ohne dass ihn die Strömung wegtreiben kann. Er springt ins reißende Wasser und streckt seinen Arm nach Tini und Anna aus. Mit einer Hand kann er sie erreichen. Er packt das Kitz am Fell und zieht die beiden mit einem kräftigen Ruck an Land, wo die anderen Tiere sie in Empfang nehmen. Alle drücken Tini und Anna aus Dankbarkeit, dass es ihnen gut geht, ganz fest.
Auch Hans hat es inzwischen wieder zurück ans Ufer geschafft. Er nimmt die beiden erschöpften Tiere behutsam auf seine Schultern und trägt sie in seine Hütte.
„Jetzt werdet ihr erst einmal trocken gerubbelt, und danach gibt’s warmen Tee, damit ihr nicht noch einen dicken Schnupfen bekommt.“ Er sieht die beiden ernst an. „Das nächste Mal holt ihr mich aber gleich und macht nichts mehr auf eigene Faust“, schimpft er klein wenig.
Eingekuschelt in warme Decken sitzen sie wenig später alle beieinander. Tini und Anna haben sich ein bisschen verletzt. Anna hat Kratzer am Ohr und Tini an der Nase, aber das ist nicht so schlimm, denn Bichl Hans behält sie für ein paar Tage bei sich und pflegt sie gesund.
Gidi, der kleine Igel, und die beiden Füchse kommen jeden Tag und besuchen Bichl Hans, Tini und Anna. Die Uhu-Dame Christa schaut dem Ganzen von oben aus dem Baum zufrieden zu. Manchmal fliegt sie herunter und erzählt ein paar Witze, damit alle ein bisschen lachen können.
Der Baum pfeift wieder sein schönes Lied. Und weil der Baum so glücklich ist, trägt er nun ganz viele Eicheln. Eben fällt eine herunter, genau auf Tinis Nase. Aber das macht nichts, denn die Nase ist wieder heil!